Inertgassättigung

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Eine Inertgassättigung ist die Anreicherung eines Gases, das nicht an Stoffwechselvorgängen teilnimmt, in den Körpergeweben. Das für den Tauchsport diesbezüglich relevanteste Inertgas ist Stickstoff. Man spricht deshalb auch von einer Stickstoffsättigung.

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Auf- und Absättigung von Stickstoff im Körper während eines Tauchgangs.

Gase können sich - ähnlich wie Zucker oder Salz - in Flüssigkeiten lösen. Die Konzentration des Gases in der Flüssigkeit steht im Sättigungszustand in direktem Verhältnis zum Druck des Gases, das sich über der Flüssigkeit befindet (siehe Gesetz von Henry). Stickstoff nimmt zwar an den Stoffwechselvorgängen im Körper nicht teil, d. h. er ist ein sog. Inertgas, allerdings liegt er in allen Körpergeweben in gelöster Form vor. An der Oberfläche ist man im Sättigungszustand bezogen auf die Körpertemperatur und den Luftdruck.

Beim Abtauchen nimmt der Umgebungsdruck und damit auch die Stickstoffkonzentration in der Lunge zu. Der Stickstoff wird über das Blut in alle Körpergewebe transportiert und sättigt sich dort vermehrt an. Die Menge des gelösten Stickstoffs hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • Umgebungsdruck: Je tiefer man taucht, umso mehr Stickstoff wird angesättigt.
  • Zeit: Je länger man taucht, umso mehr Stickstoff wird angesättigt.
  • Durchblutung: Je anstrengender ein Tauchgang, umso schneller wird Stickstoff aufgenommen.
  • Temperatur: Je kälter, umso mehr Stickstoff kann gespeichert werden.

Bei normalen Sporttauchgängen sind die meisten Gewebe teilgesättigt. Gut durchblutete Gewebe bzw. das Blut selbst können allerdings auch komplett gesättigt sein.

Beim Auftauchen muss der nun im Körper gelöste Stickstoff mit dem Blut zurück zur Lunge transportiert und dort wieder abgegeben werden. Die Druckminderung muss so langsam geschehen, dass sich keine Bläschen, wie beim zu schnellen Öffnen einer Sprudelflasche, bilden können. Passiert dies allerdings, spricht man von einer Dekompressionskrankheit.

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Gesetz von Henry

Das Gesetz von Henry beschreibt die Löslichkeit von Gasen in Flüssigkeiten. Die Konzentration des in einer Flüssigkeit gelösten Gases ist im Sättigungszustand direkt proportional zum Partialdruck des Gases über der Flüssigkeit und indirekt proportional zur Flüssigkeitstemperatur.

Bei einem höherem Umgebungsdruck ist auch der Stickstoffpartialdruck größer, es löst sich mehr Stickstoff in den Flüssigkeiten der Körpergewebe und sättigt sich somit dort an. Zudem löst sich bei geringerer Körpertemperatur mehr Stickstoff im Körper.

Halbsättigungszeit

Sättigungsverhalten unterschiedlicher Gewebegruppen.

Beim Abtauchen nimmt der Partialdruck des Stickstoffs in der Atemluft bedingt durch den zunehmenden Umgebungsdruck zu. Dadurch nimmt der Körper verstärkt Stickstoff über die Atmung auf, der über den Blutkreislauf zu den Geweben transportiert wird und diese aufsättigt.

Die Aufsättigung erfolgt allerdings nicht schlagartig: Zu Beginn erfolgt die Aufsättigung durch den großen Konzentrationsunterschied von Stickstoff sehr schnell. Nimmt dieser ab, nimmt das Sättigungslevel immer langsamer zu.

Ein derartiges Verhalten wird mit einer sog. Halbwertszeit – in diesem Zusammenhang Halbsättigungszeit genannt – charakterisiert. Die Halbsättigungszeit T ist diejenige Zeit, in der das Sättigungslevel 50% erreicht hat. Nach zwei Halbsättigungszeiten (2 T) ist wiederum die Hälfte der verbleibenden 50% aufgesättigt, d. h. das Sättigungslevel liegt bei 75%, usw. Theoretisch wird erst nach unendlich langer Zeit ein Sättigungslevel von 100% erreicht. In der Praxis geht man nach 6 T, d. h. bei einem Sättigungslevel von 98,23%, von kompletter Sättigung aus.

Die Entsättigung beim Auftauchen und nach dem Tauchgang verläuft nach den gleichen Gesetzmäßigkeiten: Am Anfang erfolgt sie sehr schnell und verläuft dann immer langsamer. Hier nimmt man analog zur Aufsättigung an, dass das Gewebe nach 6 T vollständig entsättigt ist.

Gewebegruppen

Gewebegruppe Unterteilung Halbsättigungszeit
in Minuten
Blut schnelle Gewebe 2,5
Gehirn 5
Rückenmark 10
Haut mittlere Gewebe 40
Muskeln 80
Fettgewebe langsame Gewebe 240
Gelenke 480

Der menschliche Körper besteht aus unterschiedlichen Gewebearten mit unterschiedlichen Eigenschaften, gerade in Bezug auf das Sättigungsverhalten. Man teilt für die Dekompressionsberechnung den Körper in 6 bis 16 Gewebegruppen (sog. Kompartimente) mit unterschiedlichen Halbsättigungszeiten ein. Diese sind abhängig von der Gewebedurchblutung und Speicherfähigkeit für Stickstoff.

Die Gewebegruppen unterteilt man wiederum in langsame, mittlere und schnelle Gewebe. Fett kann beispielsweise fünf mal mehr Stickstoff speichern als Muskelgewebe, hat aber wegen der geringeren Durchblutung eine relativ hohe Halbsättigungszeit und zählt somit zu den langsamen Geweben.

Bei Geweben, deren Durchblutungsrate sich bei Anstrengung oder unter Temperatureinfluss ändern kann, wie Muskeln oder Haut, verringert sich die Halbsättigungszeit und in Folge werden sie schneller aufgesättigt.